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In einer neuen Facebook Gruppe entsteht gerade sehr viel informativer Inhalt, der von verschiedenen Züchtern bereit gestellt wird. Dabei geht es darum vorhandenes Wissen und Erfahrungen zu teilen, um Stuten und Fohlen eine möglichst risikoarme Geburt zu ermöglichen. Wer sich hierfür interessiert findet in diesem Blog auf der Seite der Rasse-Informationen eine Unterseite Zucht, die die aktuellen Informationen aus der FB Gruppe aufbereitet darstellt. Diese Unterseite ist „work in progress“ und aktualisiert wichtige aus der FB Gruppe in diesen Blog. Viel Spaß beim Lesen!

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Hufkrebs – ein oft unterschätztes Drama

Von Boris Halter und Uli Gerusel.

Die Diagnose „Hufkrebs“ trifft Pferdebesitzer unvermittelt und hart. Genauer betrachtet ist es jedoch ein langer und schleichender Prozess, bis es zum Schlimmsten kommt. Die Behandlung ist aufwändig und kann mit der Euthanasie des betroffenen Pferdes enden. Was man dagegen tun sollte und welche Behandlungsmethoden Erfolg versprechen, wird im Folgenden beschrieben.

Der übliche, erste Weg zur Wikipedia erstaunt: zum Thema Hufkrebs oder Strahlkrebs gibt es noch keinen Eintrag. Die weitere Literaturrecherche liefert fast nur kurze populärwissenschaftliche Blogartikel oder Webseiten von Tierärzten. Wissenschaftliche Studien dazu sind rar und haben oft ein reifes Alter erreicht. Brandaktuell ist anders. Wenn Online-Recherche nicht weiter hilft, muss „offline“ gesucht werden. Eine Möglichkeit dazu ist Experten zu befragen, die viel Erfahrung in der betreffenden Thematik haben. In Uli Gerusel fand ich einen Gesprächspartner, der neben seiner langjährigen Erfahrung als Hufschmied, nicht nur viele Hufkrebsfälle behandeln musste. Er versucht darüber hinaus immer neue Wege zu finden und Herausforderungen anzunehmen, auch wenn diese anfangs nicht lösbar scheinen.

Was genau ist Hufkrebs?

Der Begriff „Krebs“ leitet gleich zu Beginn in die Irre. Bei den Veränderungen im Huf handelt es sich nicht um Krebs (bzw. Karzinom) im klassischen Sinne, bspw. Tumore mit Metastasen. Hufkrebs (Englisch: equine hoof canker) ist eine beschreibende, keine wissenschaftliche Bezeichnung. Es handelt sich um eine chronisch verlaufende Huflederhautentzündung. Der Mediziner spricht daher von „pododermatitis chronica verrucosa (sive migrans)“. Diese Entzündung wird von einer starken Vergrößerung des Papillarkörpers (s. Infokasten 1), einer Absonderung schmieriger und stark riechender käsig-weißer Flüssigkeit, ausbleibender Epithelisierung (s. Infokasten 2) und mangelnde Verhornung begleitet.

Infokasten 1
Wikipedia beschreibt den Papillarkörper wie folgt: „[…] bezeichnet man fingerförmige Einstülpungen („Papillen“) an der Unterseite bei mehrschichtigen Epithelien, die von der darunter liegenden Schicht ausgehen. Ein Papillarkörper tritt an Stellen starker mechanischer Belastung auf und dient der intensiven, reißverschlussähnlichen Verzahnung des Epithels mit seiner Unterlage. Die Einsenkungen des Epithels zwischen die Papillen nennt man Epithel- oder Retezapfen.“
Infokasten 2
Auszug aus Wikipedia: „Als Epithelisierung (Synonyme: Epithelialisierung, Epithelisation) wird das Überwachsen einer Wunde mit Epithelzellen bezeichnet. Sie geht von intaktem Epithelgewebe im Bereich der Wundränder aus. Die Epithelisierung ist die letzte Phase der Wundheilung und schließt sich an die Granulation (Bildung von zellreichem Bindegewebe) an.“

Die Erkrankung beginnt immer am Strahl als Strahlfäule und kann sich langsam unter die Sohle oder unter die Hufwand fressen. Durch die Entzündung und weitere Faktoren beeinträchtigt, produzieren die Zellen an Stelle von normalem Gewebe und Hufhorn eine schmierige Masse mit einem charakteristischen stechenden und stinkenden Geruch. Es entstehen blumenkohlartige Wucherungen, die zu Schmerzen und Lahmheit führen. Je nachdem wo sich die Entzündung hinarbeitet, entwickeln sich unterschiedliche Formen des Hufkrebses. In der Praxis unterscheidet man:

  • Strahlkrebs
  • Sohlenkrebs
  • Wandkrebs
  • spezifische Kronsaumentzündung (mit der Gefahr des Ausschuhens)

Das Positive vorweg: es besteht Hoffnung auf Heilung, wenn rechtzeitig behandelt wird. Allerdings ist das mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwänden verbunden.

Die wenigen wissenschaftlichen Quellen (s. Quellenangabe am Ende) finden in Gewebeproben von Hufkrebs-Patienten sowohl „bovine papillomavirale“ DNA (Viren) [Brandt 2011 und Apprich 2014], als auch DNA von „Treponea medium ssp. Bovis“ (gramnegative, anaerobe Bakterien) [Sykora 2013]. Nach [Oosterlink 2011] scheint die spezifische Haltung die Entwicklung von Hufkrebs zu beeinflussen. Ebenso wird bestätigt, dass eine frühzeitige Behandlung sehr wichtig ist. Einige Tierärzte sehen Zusammenhänge mit Mangel an hufspezifischen Nährstoffen, bspw. zinkmangelbedingte Parakeratose (krankhaft gestört ablaufende Verhornung). Verschiedenen Pferden ist ein gewisser Anteil der Neigung zu Strahlfäule genetisch veranlagt, bspw. durch schlechte Hornqualität oder eine die Fäule begünstigende Hufform.

Sobald die Trachten- oder Tragwand betroffen ist, kann es zu einer Deformierung des Hufes kommen. Praktisch alle Pferde mit Hufkrebs haben auch einen deformierten Huf. Man sieht dabei oft zu hohe Trachten, eingerollte Trachten oder Tendenz zum Bockhuf. Es besteht die Gefahr, dass sich der Aufhängeapparat lockert und es so zu einer Hufbeinabsenkung kommen kann. Je länger sich die Fäulnis bzw, der Hufkrebs in der Hufkapsel befindet, umso eher wird die Kapsel angegriffen. Dabei kann sich der Hufbeinträger lösen und letztendlich zum Ausschuhen führen. Das ist in etwa analog dem Verlauf einer Rehe, nur dass sich die Hufwand von unten löst und nicht von oben, vom Saumband aus.

Wie entsteht Hufkrebs?

Huf- bzw. Strahlkrebs entsteht nicht innerhalb weniger Tage. Er entwickelt sich aus Strahlfäule über einen längeren Zeitraum, bis der Strahl ausreichend zerstört ist. Der Klassiker sind schlecht gepflegte Pferde, die auf Matratze und in dunklen Boxen mit Lichtmangel stehen, wenig Mineralfutter erhalten, schlechtes Futter mit zu viel Hafer bekommen und selten den Schmied sehen. Das alles führt zu gammeligen Hufen, zu Strahlfäule und dann zu Strahl- bzw. Hufkrebs. Diese Erfahrung deckt sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen. In der jüngeren Vergangenheit mehren sich jedoch die Fälle, bei denen augenscheinlich gut gepflegte Pferde aus dem Freizeitbereich und auch im Turniersport Hufkrebs bekommen. „Es scheint viel auf die Ernährung anzukommen und auf die richtige Hufbearbeitung. Man kann die Entstehung von Hufkrebs bspw. nicht alleine auf matschige Paddocks im Winter zurückführen.“ berichtet Gerusel aus seiner Erfahrung.

„Wenn Hufkrebs aus Strahlfäule entsteht, was kann ich als Besitzer vorbeugend tun?“ möchte ich von ihm wissen. Zu intensives Auskratzen mit neuen, scharfkantigen Hufkratzern kann bspw. den Strahl kaputt machen und „ins Leben“ gelangen, also in durchblutete Bereiche stoßen, wodurch Bakterien ihn angreifen können. Die beste Vorbeugung jedoch ist eine fachgerechte Hufbearbeitung durch einen Fachmann (bzw. Fachfrau). Der Strahl muss seine von der Natur vorgesehen Funktion erfüllen können. Dazu gehört Bodenkontakt in der Bewegung, Druck, Gegendruck und somit ausreichende Durchblutung. Er muss sich abnutzen, damit es zu Zellneubildung kommen kann. Dann wächst er und kann nicht verkümmern. „Der Körper ist sparsam!“ trifft es recht passend. Körperteile, die nicht ausgelastet sind, bilden sich zurück. Sicher kennt jeder in seinem Bekanntenkreis jemanden, dessen Bein oder Arm mal in Gips war. Nach drei Wochen haben sich die Muskeln dramatisch zurückgebildet. Gleiches gilt für einen unbelasteten Strahl.

Die Probleme kommen, wenn der Strahl keinen Bodenkontakt erhält. Wenn der Huf normal auf einer Ebene steht, müssen die Trachten und der Strahl eine Linie bilden. Hohe Trachten, die den Strahl vom Boden heben, macht man heute nicht mehr. Pferde werden nicht mehr so steil gestellt wie früher. „Und was ist mit Eisen? Wie kommt der Strahl da auf den Boden?“ frage ich ihn. Das muss bei der Bearbeitung und beim Ausschneiden berücksichtigt werden, ist seine Antwort. Eisen können den Huf um bis zu 8mm anheben. Es geht nicht immer, dass der Strahl mit Eisen den richtigen Bodenkontakt bekommt. Man muss so viel Material am Strahl lassen, wie es möglich ist. Dazu gehört vorsichtiges Ausschneiden, kaputtes Material zu entfernen und Taschen wegzuschneiden, um luftdichte Verschliessungen zu vermeiden. Der Strahl muss trocken bleiben und ablüften können. Pferde mit guten Hufen haben im Grunde keine Strahlprobleme. Die Patienten der vergangenen 12 Monate bei Gerusel waren allesamt Barhufpferde. Eisen alleine sind ebenfalls nicht die Auslöser für Hufkrebs.

„Ich möchte noch einmal auf das oft zu intensive Auskratzen zurückkommen.“ meint Gerusel. „Sicherlich muss Stallmist unter dem Huf entfernt werden, jedoch schadet es eher, wenn die Hufunterseite ‚klinisch rein‘ gekratzt wird.“ Mit einem Blick auf die gern zum Vergleich herangezogenen Wildpferde – wenn es diese überhaupt noch gibt – kann man feststellen, dass diese sehr häufig Erde und Dreck in dicken Platten unter dem Huf haben. Der Dreck und der Luftabschluss kann somit nicht allein verantwortlich für Hufkrebs gemacht werden. Im Gegenteil. Durch die Erde unter dem Huf hat die gesamte untere Hufstruktur inkl. dem Strahl Kontakt zum Boden, erhält Gegendruck und arbeitet. Wird also genutzt und durchblutet, wodurch diese Pferde einen Strahl ohne Probleme haben.

Der Mangel an Stroh durch den extremen Sommer 2018 wurde mancherorts durch Gummimatten mit reduzierter Einstreu ausgeglichen. Stallmatten haben zwar ein Drainage-System, jedoch fließt der Urin nicht so schnell ab, wie er durch eine adäquate Menge Stroh aufgenommen würde. Daher stehen Pferde auf solchen Matten länger, teilweise permanent in Feuchte und Urin. Der Huf mit seinem Mechanismus wirkt bei Bewegung wie ein Schwamm und nimmt Feuchtigkeit gut auf.

Behandlung

Beginnende Strahlfäule behandelt man am besten, indem der Strahl mit einem Wasserschlauch und einer Gardena-Düse vom Dreck und Schmodder frei gespült wird. Dann gut abtrocknen und vorhandene Lücken und Spalten mit in DryFeet getränkte Mullbinden mit einem Spatel ausstopfen. Das verhindert, das Dreck reinkommt und übt den zum Wachstum nötigen Druck aus. Außerdem kommt das Produkt in die Tiefe und wirkt von innen heraus. „Besitzer sollten das Strahlherz, bzw. die Mittelfurche, im Auge behalten. An dieser Stelle gammelt Strahlfäule gerne in die Mitte zur Fesselbeuge“ so Gerusel. DryFeet ist ein Spray zur Trocknung von Hufsohle und Strahl. Genauso eignen sich andere, auf Kupfer basierende Präparate, bspw. Kevin Bacon Hoofsolution.

Die seit langem angewandte, klassische Methode der Behandlung von Hufkrebs sieht vor, dass das betroffene Gewebe sehr großflächig ausgeschnitten wird und eine desinfizierende Wundbehandlung stattfindet. Dann wird die Stelle verbunden und die ausgeschnittene Lücke mit Verbandmaterial aufgefüllt. Ein Deckeleisen sorgt mit dem Verband für den nötigen Gegendruck, damit das Gewebe nachwachsen kann. Begleitet wird die Behandlung durch antibakterielle und antivirale Mittel.

Leider entwickeln sich viele Befunde mit dieser Behandlung oft ins Negative. Ein zügiger Wundverlauf wird unterbunden, bzw. stark verlangsamt. Von dieser Standardbehandlung sollte man abkommen. Sie hilft am wenigsten und reicht einfach nicht aus. „Heute schneide ich immer noch tiefflächig weg was nicht hingehört. Aber nicht so tief wie früher. Es folgt eine desinfizierende Wundversorgung mit Verband, um die Blutung zu stoppen und damit das Gewebe granulieren kann. Dann kommen die Verbände recht früh wieder ab und ich setze das DryFeet ein. Anschließend wird das Pferd in extremst trockene Späne gestellt. Diese müssen mehrmals täglich entmistet und dick nachgestreut werden. Gewebe, das zu schnell verledert, wird gerade so eben abgetragen. Das geht mit der Flex präziser und sanfter als mit einem Messer.“ erklärt Gerusel, wie er aktuell mit seinen Patienten arbeitet. Auf meine Frage, ob eine tiefe, offene Wunde in der Box nicht kontraproduktiv sei, antwortet er, dass sicherlich eine Infektionsgefahr da sei, solange der Huf noch blutet. „Das Pferd läuft ja schon seit Wochen mit offenen, gammeligen Stellen herum, da ist eine saubere, sehr trockene Spänebox allemal besser.“ so Gerusel. Die Gefahr dicker Beine ist gering. Patienten mit Hufkrebs bekommen sehr selten einen Einschuss bzw. Phlegmone.

Eine recht neue Erkenntnis ist auch, dass das früher gerne verwendete „Hufkrebspulver“ (s. Infokasten 3) eher kontraproduktiv wirkt. Es ist kein Allheilmittel und kann bei falscher Anwendung der Auslöser einer totalen Katastrophe sein. Das Krebspulver hat die negative Eigenschaft bei Überdosierung zu verkleben und zu verharzen. Es bildet dann eine luftundurchlässige Schicht. Darunter gammelt es wieder und das Spiel geht von vorne los – die Wunde kann nicht abheilen. Aus dem gleichen Grund bitte kein Holzteer oder andere Mittel verwenden, die die Oberfläche verschließen und eine abschließende Schicht bilden.

Infokasten 3
Hufkrebspuler, auch als „Gießener Mischung“ bekannt, ist in der Regel ein Mix aus Jodoform, Zinkoxid, Acidum tannicum (Taninsäure), Metronidazol und Ketoconazol. Es hat eine adstringierende, austrocknende und antimikrobielle Wirkung. Beim Verarbeiten des Pulvers muss der Anwender sehr auf eigenen Schutz achten (Handschuhe und Staubmaske). Das dem Pulver hinzugefügte Antibiotikum Metrodinazol ist für den Menschen sehr gesundheitsgefährdend, In Form von Staub legt es sich stark auf die Lunge! Als antibakterielles Mittel gegen anaerobe Keime ist es auch für das Pferd nicht ungefährlich. Es sollte aufgrund seiner Nebenwirkungen nur in Absprache mit dem behandelnden Tierarzt verwendet werden.

Einen wichtigen Hinweis hat Gerusel noch: aus einem Hufgeschwür entsteht praktisch nie ein Hufkrebs. „In den vergangenen 35 Jahren Berufspraxis ist mir das noch nie untergekommen. Hufkrebs entwickelt sich fast ausschließlich aus einem gammeligen Strahl!“.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Diagnose stellt der Tierarzt zusammen mit dem Schmied/Hufbearbeiter. Beide Berufsgruppen müssen als Team arbeiten, wenn es um die Behandlung geht. Ein Erfolg ist nur in engster Zusammenarbeit möglich!

„Bei Pferden mit Rehe erfolgt eine Diagnose nie ohne Röntgenbilder. Sind diese bei der Diagnose von Hufkrebs ebenso nützlich?“ möchte ich wissen. Gerusel schränkt das etwas ein. Ein Röntgenbild zeigt Veränderungen an knöchernen Strukturen. Bei Hufkrebs müssen die nicht immer betroffen sein. Es kann jedoch helfen zu bewerten, ob die Hufkapsel oder Hufknorpel durch den Hufkrebs angegriffen sind.

In der Ausbildung der Tierärzte ist der Pferdehuf nur eines von ganz vielen Themen. Wenn sie nicht gerade auf Hufe spezialisiert sind, nehmen sie in aller Regel die Expertise der Schmiede/Hufbearbeiter an. Bei Hufkrebs kann niemand zu Anfang eine echte Prognose stellen, wie es ausgehen wird. Beide können nur an dem Tag, an dem sie vor Ort sind, Hinweise und Ratschläge geben. Die Praxis zeigt, dass es zu schrecklichen Wendungen kommen kann. Es liegt an den Besitzern Haltung, Pflege und Fütterung zu verändern. Das ist ein langer Prozess und es ist ihre eigene Verantwortung. Die können ihnen Tierarzt und Schmied/Hufbearbeiter nicht abnehmen!

Beispiele

Rheinisch-Deutsches Kaltblut

Ein negatives Beispiel zeigen die folgenden Bilder eines Rheinisch-Deutschen Kaltblutes aus dem Kundenstamm von Gerusel. Hier wurde das gesamte Repertoire herangezogen, am Ende musste das Pferd dennoch eingeschläfert werden, da es nicht mehr schmerzfrei zu bekommen war. Zur Behandlung wurden Antibiotika gegeben, ein Pilzmittel gespritzt, mit Sebacil gewaschen, beste an den Befund angepasste Fütterung genutzt (eiweißarm, kein Hafer, bestes Heu, Spezialfutter für Hufe, etc,), täglich desinfiziert und mehrmals täglich gemistet. Dennoch ergab sich ein schlechter Verlauf, auch wenn es zwischendurch positiv aussah.

Friese

Ein positives Beispiel eines ausgeheilten Hufkrebses kann mit den folgenden Bildern eines Friesen aus dem Kundenstamm von Gerusel herangezogen werden. Der Verlauf der Heilung zog sich auf ein Jahr. Am Ende war fast die gesamte Hornkaspel wieder nachgewachsen. Bei diesem Beispiel waren vier Hufschmiede in einer Kooperation beteiligt, bei der jeder mit seinem Fachwissen passend ergänzen konnte.

Änderung von Haltung, Pflege und/oder Fütterung

Zusammenfassend wird nun klar, dass sich Hufkrebs aus einer starken Strahlfäule heraus entwickelt. Diese wiederum entsteht aus einem Komplex von mangelnder Hufbearbeitung und -pflege, schlechter Haltung und/oder schlechter Fütterung. „Gefühlt würde ich sagen, dass Mineralfuttermangel ein großes Problem ist. Ebenso zu viel Hafer und zu viel Silo“ überlegt Gerusel laut. Ein Mangel an Mineralfutter löst Strahlfäule bzw. -krebs nicht aus, fördert aber die Entwicklung.

Dem erfahrenen Leser drängt sich eine Analogie zur Mauke auf. Mauke und Strahlfäule, bzw. in gesteigerter Form Hufkrebs, haben ähnliche Ursachen. Pferde die zu Mauke neigen, haben häufiger mit Strahlfäule und Hufkrebs zu tun. Was davon zuerst da war oder als Folgeerscheinung zu werten ist, kann nicht immer klar getrennt werden. Daher sollte bei Vorkommen von Mauke oder Strahlkrebs umgehend gehandelt werden, um nicht in einen weiteren Teufelskreis zu gelangen.

Neben der Ernährung muss die Stallhygiene verbessert werden. Das Hufhorn wird durch Mist und Urin nachweislich angegriffen. Dies erleichtert Bakterien die Zersetzung des Horns. Insbesondere Ammoniak, dass bei der Zersetzung von Harnstoff aus dem Urin entsteht, ist Gift für das Hufhorn. Eine Reduzierung des Ammoniak ist grundsätzlich eine gute Idee, der Lunge Ihres Pferdes tut es ebenfalls gut.

Kommen wir zu einem oft gehörten Mythos. Nein, Kaltblüter sind nicht empfindlicher oder häufiger betroffen als andere Pferderassen. Evtl. kommt der Mythos daher, dass Kaltblüter gerne mal „robuster“ gehalten werden und art-ungerechte Ernährung erhalten. Zu viel Hafer, zu viele Möhrchen, usw.. Mangelndes Wissen führt zu Überfettung, schlechter Haut, Mauke und Strahlfäule. Und dann sind wir wieder voll im Thema.

Auch der Mensch muss sich ändern

Fäule und Krebs sind nicht „einfach so“ da. Es ist ein schleichender Prozess. Evtl. ist es dem Besitzer nicht aufgefallen oder es war ihm/ihr nicht wichtig genug. Auch wenn Schmied oder Hufbearbeiter sich regelmäßig um die Hufe kümmern: das entbindet Besitzer nicht ihrer Verantwortung. In der Praxis treffen sich Besitzer und Schmied bzw. Hufbearbeiter zu selten gemeinsam am Pferd. Kommunikation zwischen Hufbearbeiter und Besitzer entsteht dann erst, wenn konkrete Probleme sichtbar sind. Wie wir inzwischen gelernt haben, kann es dann schon zu spät sein. „Der Kunde neigt dazu für die Dienstleistung zu bezahlen und damit die Verantwortung abzugeben. Aber der Schmied ist nicht verantwortlich Futter zu kaufen, Mineralfutter zu geben, den Paddock sauber zu halten oder die Box regelmäßig zu misten.“ berichtet Gerusel aus der Praxis. Vermeidung und frühes Erkennen sind daher sehr wichtig. Dann wird es nicht so schlimm, dass es (fast) zu spät sein kann.

Lebenslanges Lernen

Nach dem mahnenden Plädoyer von Gerusel möchte ich wissen, wie man als Laie rechtzeitig erkennen kann, dass sich etwas anbahnt. „Indem man sich mit dem Thema Huf beschäftigt und sensibilisiert.“ lautet seine sehr direkte Antwort.

Pferdebesitzer sollten Literatur lesen, Workshops besuchen und Weiterbildungen nutzen. Verantwortung für das eigene Pferd zeigen, bedeutet sich weiterzubilden. Die Buchregale der Besitzer/innen sind typischerweise voll mit Büchern zu den Themen Reiten lernen, unterschiedliche Reitweisen, Training der Pferde und anderes mehr. Ganz selten stehen dort Bücher über Anatomie, Tiermedizin, Haltung, Hufe, Futter oder vergleichbare Themen. Alles was man von außen sieht, ist wichtig. Das „Innere“ des Pferdes wird gerne vernachlässigt. Futter- und Entwurmungsberater können sicher in das gleiche Horn stoßen.

Wenn es um Wissensaneignung geht, bitte nicht Prof. Google oder Dr. Facebook befragen. Dort gibt es zig verschiedenen Gruppen und Foren mit anderen Laien und gleichen Problemen. Zum Erfahrungsaustausch sind diese sicher geeignet. Aber Behandlungsempfehlungen mit falschen oder unnützen Tipps können in einer Katastrophe enden. Man liest leider nur zu oft, wie wochenlang sinnlos herum experimentiert wird. Es entsteht manchmal eine merkwürdige Art der Eigendynamik. Werden unangenehme Tatsachen benannt, bspw. dass das Pferd sterben kann, wenn es nicht richtig behandelt wird, ist die Aufregung groß. Lieber noch ein Pülverchen hier oder ein Kügelchen dort ausprobieren. „…das hat bei mir immer geholfen!“ ist nicht der beste Ratgeber.

Wenn Probleme mit heftiger Strahlfäule oder Verdacht auf Hufkrebs vorhanden sind, ist es wichtig umgehend mit dem Tierarzt und Hufbearbeiter des Vertrauens Kontakt aufzunehmen! Eine stationäre Aufnahme ist bspw. bei Gerusel in Ost-Westfalen möglich.

Hufe und „innere Feuchtigkeit“

Selbst wenn der Huf von außen trocken und knüppelhart ist, gibt er Feuchtigkeit ab. Bei frisch ausgeschnittenen Hufen wird das sehr gut deutlich. Steht dieser eine Weile auf dem Boden, weil bspw. der andere Huf bearbeitet wird, entsteht ein feuchter Abdruck. Wenn nun im Zuge einer klassischen Hufkrebs-Behandlung ein Deckeleisen zum Einsatz kommt, oder der Huf mit Teer abgedichtet wird, bildet sich darunter unweigerlich neue Feuchtigkeit. Bestes Klima für anaerobe Bakterien und weitere Fäulnissprozesse. Daher sollte die Behandlung mit anfangs offenem Huf, wie von Gerusel beschrieben, zwingend mit trockenen Späne als Einstreu ergänzt werden. Für ihn gibt es dazu keine Alternative. „Auf Späne stellen ist Pflicht, wenn es zu einem schnellen Heilungsprozess kommen soll.“ so Gerusel.

Neben Luftzufuhr und Trockenheit ist Bewegung wichtig. Das zu behandelnde Pferd dauerhaft in eine Box zu sperren ist kontraproduktiv. Durch die Bewegung wird der Huf besser durchblutet, der Strahl bekommt durch die Druckpolster wieder eine natürliche Aufgabe und kann wachsen. Durch die gestiegene Durchblutung wird das Gewebe besser mit Nährstoffen versorgt und die Stoffwechselrate steigt. Das fördert nicht nur die Qualität des Hornes, auch die Hornbildungsrate nimmt zu: alles am Huf wächst schneller.

Der Wahrheit ins Auge sehen

Selbst bei Experten gibt es Fälle, die nicht mehr heilbar sind. Zu spät entdeckter Hufkrebs kann zum raschen Tod des Pferdes führen. Besitzer stoßen dabei finanziell und ethisch schnell an Grenzen. Die Kosten der Behandlung summieren sich leicht auf mehrere tausend Euro durch Medikamente, erhöhten Pflegeaufwand und häufige Besuche von Tierarzt und Hufbearbeiter. Das Handling des betroffenen Pferdes wird schnell zu einer Belastung für Besitzer und Stallbetreiber, falls aufgrund der anfänglichen „Boxenhaft“ evtl. regelmäßig ein Pferdekumpel in der Nachbarbox stehen muss.

All das sind Gründe eine beginnende Strahlfäule nun mit einem anderen Bewusstsein zu sehen und nicht nur irgendwelche Mittelchen drauf sprühen, sondern sich rechtzeitig um das Abstellen der möglichen Ursachen zu kümmern.

Verweise, wissenschaftliche Studien:

[Brandt, 2011]
„Consistent detection of bovine papillomavirus in lesions, intact skin and peripheral blood mononuclear cells of horses affected by hoof canker“, EQUINE VETERINARY JOURNAL
Equine vet. J. (2011) 43 (2) 202-209, (doi: 10.1111/j.2042-3306.2010.00147.x)

[Oosterlink, 2011]
„Retrospective study on 30 horses with chronic proliferative pododermatitis (canker)“, EQUINE VETERINARY EDUCATION, Equine vet. Educ. (2011) 23 (9) 466-471 (doi: 10.1111/j.2042-3292.2010.00213.x)

[Apprich, 2013]
„Equine hoof canker: a clinical trial of topical cisplatin chemotherapy“, Veterinary Record 2013 172: 238 originally published online January 29, 2013 (doi: 10.1136/vr.101359)

[Sykora, 2014]
„Occurrence of Treponema DNA in equine hoof canker and normal hoof tissue“, Equine Veterinary Journal ISSN 0425-1644, (doi: 10.1111/evj.12327)