Zucht

Alle medizinischen Angaben und Handlungshinweise auf dieser Webseite und in den Artikeln sind ohne Gewähr. Diese Texte ersetzen nicht den Tierarzt, noch können sie eine tierärztliche Beratung ersetzen! Nimm daher Kontakt mit Deinem Tierarzt auf und bespreche mit ihm alles Notwendige!

Geburtsrisiken

Züchten hat immer etwas mit Gebären zu tun. Dieser glückliche Moment, wenn neues Leben entsteht. Normalerweise kommen Tiere beim Geburtsvorgang sehr gut alleine zurecht. Mutter Natur bietet keinen Kreiß-Saal oder Hebammen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bei den Rassen Shire Horse und Clydesdale nicht jede Geburt glatt verläuft. Die großen und schweren Rassen haben durch die größeren Fohlen häufiger Probleme als andere, leichtere Rassen.

Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, den Beginn der Geburt nicht zu verschlafen. Neben Kamerasystemen mit Nachtsichtmodus gibt es verschiedene technische Systeme, die eine Warnung übermitteln, sobald bei der Stute Anzeichen der Geburt zu erkennen sind. Diese Geburtsmelder gibt es in verschiedenen Ausführungen. Im Blog Barnboox gibt es dazu einen guten Artikel, ebenso auf der Webseite des Profi-Magazins Pferdebetrieb. Die genannten Systeme setzen auf verschiedene Meldesysteme, die an der Stute angebracht werden. Ein System der Fa. ACARiS setzt auf Kamerabeobachtung und KI (Künstliche Intelligenz), um die Geburt zu erkennen.

Im Buch wird im Kapitel „Basiswissen Pferdezucht“ (Seite 44 ff.) unter anderem auch auf die verschiedenen Phasen der Trächtigkeit und die Geburt eingegangen. Dieses Kapitel wurde dankenswerterweise durch den Clydesdale-Züchter und Tierarzt Dr. Ben Arnold-Ladensack beigesteuert.

Um anderen Züchtern dramatische Situationen zu ersparen, wurde die Facebook Gruppe „SHIRE HORSE ZUCHT – Erfahrungsaustausch“ gegründet, um alle Erfahrungen einzusammeln. Produktive Ergebnisse der regen Diskussionen sind bspw. Listen, die den Inhalt des Geburtshilfekoffers genauer beschreiben oder Fallbeispiele komplizierter Geburten. Ich möchte an dieser Stelle die gesammelten Informationen zusammentragen und regelmäßig erweitern, damit kein Fohlen oder eine Stute aufgrund fehlenden Equipments leidet. Vielen Dank an dieser Stelle den Mitgliedern der FB Gruppe!

Der Geburtshilfekoffer – Leben und Tod liegen nur einen Erfahrungswert auseinander

Putzkoffer sind in jedem Stall Pflicht. Pro Pferd mindestens einer, gerne auch mal mehr. Der Inhalt wächst im Laufe der Zeit, man lernt immer neues, gaaaanz wichtiges Zubehör kennen, das dann umgehend die Box ergänzt. Im Grunde finden sich in jedem Koffer die Klassiker: Hufkratzer, Bürsten in unterschiedlicher Größe und Behaarung, Striegel, Schwämme, Waschzeug. Aber doch findet sich in praktisch jedem Putzkoffer das eine oder andere Teil, das sonst niemand hat.

Ähnlich ist es beim Züchter und dem Köfferchen, das als Geburtshelfer parat steht. Es gibt die offensichtliche Grundausstattung, die bei jeder neuen Erfahrung ergänzt wird. „Erfahrung sammeln“ bedeutet beim Geburtshilfekoffer jedoch etwas ganz andere als beim Putzkoffer. Wenn die Schweifbürste fehlt und Mausi deswegen etwas zottelig rumläuft, kann man es überleben. Fehlt bei einer komplizierteren Geburt bspw. ein Geburtsstrick und man weiß nicht, wie man das Fohlen aus der Stute herausbekommen soll, bekommt der Begriff Erfahrungswert gleich eine ganz andere Dimension.

Folgende Sachen gehören nach den Erfahrungen einiger Züchter in den Geburtshilfekoffer:

  • Viele Handtücher zum Trockenrubbeln des Fohlens. Bei Shires bleibt die Mama gerne mal weiter liegen und frisst in Ruhe, bevor sie ihren Job erledigt und das Fohlen trocken leckt.
  • Hand-Taschenlampe und Stirnlampe. Die LED Lampe vom Handy kann nicht ausreichen und ist nicht verfügbar, wenn man aus dem Stall muss, um Empfang zu haben. Der Akku des Handy/Smartphones sollte für die eigene Erreichbarkeit und Telefonate mit dem TA aufgespart werden. Kleiner Tipp vom Technik-Nerd: eine geladene Powerbank entspannt an dieser Stelle.
  • Schere, scharfes Messer
  • Strohband, zum Hochbinden der Nachgeburt.
  • Gefrierbeutel, der mit Wasser gefüllt wird und an die Nachgeburt gebunden wird, falls noch mehr Zug gebraucht wird.
  • Gleitgel, falls man reinfassen muss, um die Lage des Fohlens zu kontrollieren.
  • Klistier, damit das Darmpech abgeht. Das sollte normalerweise von alleine kommen, erfahrene Züchter geben dem Fohlen das Klistier umgehend, sobald es draußen ist, um Darmpechverhalten zuvorzukommen. Schadet nicht.
  • Nasenbremse, wenn die Stute aus irgendwelchen Gründen „ruhig“ gestellt werden muss.
  • Betaisodona, um den Nabel vom Fohlen direkt zu desinfizieren.
  • Schnapsgläschen, fürs Beta, um den Nabel zu tunken.
  • Nabelklemmen, um mögliche Blutungen über die abgerissene Nabelschnur stoppen zu können. s. Wikipedia.
  • Fläschchen mit Nuckel, falls das Fohlen zu lange braucht, um aufzustehen. Dann kann die Stute abgemolken werden und das Kolostrum mit der Flasche gefüttert werden. So bleibt es bei Kräften und erhält auf jeden Fall das wichtige Kolostrum.
  • Fohlenmilch in Pulverform, für den Fall, dass es Probleme mit der Stute gibt.
  • Oxytocin, Spritze, Kanülen, falls die Nachgeburt nicht abgeht. Zur Gabe von Oxytocin siehe weiter unten den eigenen Text dazu.
  • Kälber-Geburtsstrick, um das Fohlen notfalls herauszuziehen (Einkaufsquelle)
  • Telefonnummer des Tierarztes fest im Handy gespeichert. In der Aufregung findet man die Nummer sonst nie…
  • Gießener Monitoring Schema als Ausdruck inkl. Stift. In der Aufregung übersieht man als Nicht-Mediziner schnell erste Anzeichen, dass der Tierarzt besser kommen sollte.

Die Nachgeburt der Stute idealerweise aufheben und einfrieren, falls das Fohlen verstirbt und die Stute ein anderes Waisenfohlen aufnehmen soll. Damit kann das neue Fohlen eingerieben werden, um der Stute das Gefühl zu geben, dass es „Ihr“ Fohlen ist.

Falls das Fohlen in den ersten Stunden verstirbt, das Kolostrum abmelken und einfrieren. Es kann für nachfolgende oder Fremdfohlen wichtig werden.

Oxytocin

Oxytocin wird in der Veterinärmedizin verwendet, wenn die Geburt ausgelöst werden soll, dem Abgang der Nachgeburt geholfen werden muss. Oder wenn verstärkte Muttergefühle bei der Stute ausgelöst werden sollen, um bspw. die Annahme eines Waisenfohlens als Amme zu erleichtern. Es ist daher manchmal unter dem Begriff „Kuschelhormon“ bekannt.

Eigenschaften / Wirkungen

(Quelle: Wikipedia) Oxytocin ist die physiologische uteruskontrahierende Substanz mit direktem Angriff an der Uterusmuskulatur – unabhängig von der Innervation. In geeigneter Dosierung löst es rhythmische Kontraktionen des Uterus aus. Oxytocin besitzt eine weitere selektive Wirkung auf die myoepithelialen Zellen der Milchdrüse, deren Kontraktion es direkt auslöst. Dadurch erfolgt das Einschießen der Milch aus den alveolären Drüsenzellen in das Milchgangsystem. Bei Tieren unter Stress wird das Einschießen durch die Aktivität des Nebennierenmarkes (Adrenalin) unterdrückt. Diese Hemmung kann durch Oxytocin behoben werden.

Es unterstützt bei Pferden die primäre und sekundäre Wehenschwäche im Austreibungsstadium der Geburt und wird zur Geburtsinduktion/Geburtseinleitung, sowie der Retention der Plazenta (Nachgeburt) verwendet.

Dosierung bei Shire Horse und Clydesdale

Bei diesen Rassen wird oft zu niedrig dosiert. Einige Züchter beginnen nach 1,5 Stunden mit der Gabe von 10ml intramuskulär. Wenn sich nach 30min nichts tut, wird eine weitere Dosis zu 10ml gegeben.

Achtung: Diese Dosis wäre für Warmblüter fatal!!!
Bitte vorab mit dem Tierarzt die Gabe von Oxytocin durch den Züchter besprechen!

Lagerung

Oxytocin-Injektionslösung sollte bei Temperaturen unter 25°C, jedoch vor Frost geschützt gelagert werden. Lagerung im Kühlschrank wird empfohlen.

Beispiele komplizierter Geburten

Texte und Bilder wurden von den betroffenen Züchtern zur Verfügung gestellt.

Fall 1

Die Fruchtblase der Stute war geplatzt und sie befand sich in der Austreibungsphase. Immer wieder lag sie da und presste, doch außer einem Ansatz von Hüfchen ging es nicht weiter. Zum Glück hatten wir noch den Satz eines befreundeten Tierarztes und Shire Horse Züchters im Ohr: „Wenn das Fohlen falsch liegt oder es nicht weitergeht, treibt die Stute hoch, macht ihr Stress, damit der Geburtsvorgang unterbrochen wird.“. Nachdem wir die Lage erkannten, haben wir sofort unseren Haustierarzt angerufen und Bescheid gegeben, dass die Geburt nicht weitergeht. Obwohl er uns sagte, dass er sofort kommt und wir die Stute liegen lassen sollten, um „zu schauen was passiert“, haben wir die Stute aufgetrieben und den Geburtsvorgang dadurch unterbrochen. Das bedeutete Schritt gehen und jedes Mal, sobald sie sich hinlegen wollte, mit der Gerte hochtreiben. Das hat letztendlich dem Fohlen das Leben gerettet.

Ergebnis einer schweren Geburt
Ergebnis einer schweren Geburt

Als der TA da war, haben wir sie auch liegen und pressen gelassen. Der TA hat dann schnell festgestellt, dass das Fohlen einfach zu groß ist, um mit natürlicher Kraft ausgetrieben zu werden. Mit Stricken haben wir es dann mit vier! Personen geschafft das Fohlen herauszuziehen. Hätten wir auf den Rat des Haustierarztes gehört und die Stute diese 30min ohne tierärztliche Kontrolle pressen lassen, hätte das Fohlen nicht überlebt.

Unser Fazit:

  • Vertraue der eigenen Erfahrung.
  • Sei bei jeder Geburt dabei.
  • Trau Dich die Geburt zu unterbrechen, so lange es geht, bis ein Tierarzt vor Ort ist.
  • Habe Geburtsstricke in der Nähe.

Fall 2

Das zweite Fallbeispiel ist ähnlich gelagert wie Fall 1, endet jedoch tragisch mit dem Tod der Stute. In dieser Situation war das Fohlen sehr groß und führte dadurch ebenfalls zu Komplikationen im Geburtsverlauf. Zum Glück für Stute und Fohlen waren vier Helfer anwesend, die alle viel Erfahrung mitbrachten. Gemeinsam gelang es mit viel Gefühl und Kraft das Fohlen aus der Stute zu holen. Zu diesem Zeitpunkt waren Fohlen und Stute den Umständen entsprechend wohlauf.

Vermutlich durch den komplizierten Geburtsverlauf kam es zu einem weiteren Problem, dass bei Geburten von Shire Horses bekannt ist: Die Nachgeburt wollte nicht abgehen. Trotz rechtzeitiger Gabe von Oxytocin in den passenden Mengen, die die Besitzer, wie im Fall 1, schon vorsorglich im Stall hatten. Der zu Anfang gleich herbeigerufene Tierarzt wäre für den gesamten Geburtsvorgang zu spät gewesen.

Die Stute wurde umgehend in eine Klinik gebracht. Die besonders hartnäckige Nachgeburt konnte mit intensiven Spülungen und Behandlungen erst nach drei Tagen heraus geholt werden. Sie bekam recht bald danach eine intensive Hufrehe, vermutlich eine Vergiftungs- oder Medikamenten-Rehe. Nach langem Kampf musste sie knapp zwei Monate später eingeschläfert werden. Im Nachhinein ist es ein Wunder, dass sie solange durchgehalten hat.

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