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Kaltblut und passender Sattel – ein Widerspruch? (Teil 3)

Auf der ewigen Suche nach passendem Zubehör fiel mir auf, dass in einigen Foren und Social Media Gruppen immer wieder Hinweise auf die Sattelmarke „Massimo“ auftauchten. Einen Kaltblut Sattel in richtiger Passform zu bekommen ist bekanntermaßen nicht ganz einfach. Neugierig geworden schrieb ich die Firma mit Sitz in Wegberg an. Es entstand ein sehr freundlicher Kontakt mit Janine Pauls (geb. Zeitler), die mich an einem schönen, sonnigen Tag durch den Betrieb führte.

Aus der Not zur Tugend

Um mich ein wenig auf den Besuch vorzubereiten, stöberte ich vorab auf der Firmen-Webseite www.massiomo-sattel.de. Dort fand ich einen der häufigsten Gründe, warum jemand in einem augenscheinlich satten Markt erfolgreich mit einer neuen Geschäftsidee startet: es gab nichts Passendes für den eigenen Bedarf! In diesem Fall: für den 3-jährigen Coloured Cob (oder auch Irish Tinker) Wallach Shannon der Tochter fand sich kein passender Sattel. So entstand vor über 22 Jahren ein bis heute funktionierender und profitabler Zweig des Familienbetriebes.

„Gut 800 kg Kuschelmasse wollten sich einfach nicht in die herkömmlichen Sattelmodelle ‚pressen‘ lassen. In solch einem Fall ist es gut an der Quelle zu sitzen und über viele Kontakte zu verfügen, die helfen könnten. Es wurde jedoch schnell klar, dass es nahezu als unmöglich galt die großen/dicken/kräftigen Pferde mit Standardsätteln zu versorgen.“, so Pauls auf meine Eingangsfrage nach den Ursprüngen der Firma.

Die Firma ihrer Eltern „Zeitler Sport und Freizeit“ ist keine Sattlerei im klassischen Sinn. Bereits vor der Entstehung der Marke Massimo verkauften sie Sättel unter eigenem Namen. Diese stammten aus englischer Produktion. Letztendlich passte keiner von ihnen auf Shannon. Auch andere Händler konnten nicht helfen. Fündig wurden sie über gute Kontakte bei dem argentinischen Sattler Jorge Canaves. Er baute nach den Vorgaben Zeitlers einen Sattel in Kammergröße 36. Es war der erste Sattel, der perfekt auf Shannon passte. Der Prototyp der neuen Marke Massimo war geboren.

Danach ging es zügig weiter. Nach dem Vielseitigkeitsmodell folgte bald der „Dressur I“. Die verfügbaren Kammerweiten wurde bis auf 42 erhöht. Diverse Sitzgrößen, Pauschen und Farben kamen hinzu, denn auch die Individualität der Reiter will bedient werden. Mittlerweile bietet Massimo verschiedene Sattel-Modelle für Vielseitigkeit, Dressur, Springen und Wanderreiten an. Für Freunde der Island-Pferde und deren besonderen Anforderungen gibt es ebenfalls passende Sättel. Eine Besonderheit auf dem Markt ist sicherlich der Sattel „Massimo Smile“, ein an die speziellen Erfordernisse der therapeutischen Arbeit mit Pferden angepasster Sattel. Er ermöglicht motorisch eingeschränkten Menschen das Glück auf dem Rücken der Pferde zu genießen. Ein besonders stabiler Griff zum Festhalten, sehr flexibel anpassbare Pauschen und Kissen, sowie weitere Besonderheiten sichern den Sitz der Reiter. Dadurch können auch sanfte Kaltblüter als Therapiepferde eingesetzt werden. Wer sich für solch einen Sattel interessiert, sollte aufgrund der großen Individualität am sinnvollsten direkt mit Fa. Zeitler Kontakt aufnehmen.

Massimo ist die italienische Form des lateinischen Namens Maximus („der Größte“), die meisten Kunden verbinden Massimo jedoch eher mit Masse. Beide Analogien führen den Kunden letztendlich zu passenden Sätteln für ungewöhnliche Pferde. Mittlerweile liegt der Fokus nicht nur bei den „Dicken“, auch schlankere Sportpferde finden bei Zeitlers ihr Glück.

Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale

„Was macht Ihre Sättel so besonders? Warum schaffen Sie es, dass ihre Modelle gerade bei den kräftigeren Pferden perfekt passen?“ möchte ich von Pauls wissen. Ihrem Blick sah ich an, dass sie und ihre Familie durchaus stolz auf das Geschaffene sind. „Neben der notwendigen Wirbelsäulenfreiheit durch große Kammerweiten, sind es vor allem die eigenen Erfindungen und Verbesserungen, die wir zusammen mit unserem Hersteller in Südamerika in unseren Sätteln verbauen. Wir können bspw. besonders kurze Sättel mit der benötigten breiten Auflagefläche anbieten. Auch unsere besondere Form der Kopfeisen orientiert sich an den Bedürfnissen kräftiger Schultern und breiter Rücken.“ antwortet sie. Diese sind relativ kurz und leicht nach hinten gebogen, wodurch sich die gute Schulterfreiheit ergibt. Das direkte Feedback der Händler und Sattler hilft die Funktionalität zu verbessern. Durch stetige Optimierungen bleibt die Marke Massimo vielseitig und hebt sich vom Wettbewerb ab.

Bei Zeitlers wird großer Wert auf ein familiäres Umfeld gelegt. Ein Großteil der Endkunden kommt aus dem Bereich der Freizeitreiter, auch wenn der Anteil der Sportpferde mit Massimo Sätteln größer wird. Das macht die Marke authentisch.

Die dritte Generation der Zeitlers bringt sich bereits in den Betrieb ein. Eine süße Anekdote lieferte die damals 2-jährige Tochter von Pauls. Eine Kundin stand vor einem Sattel und sagte: „Das ist ein toller Vielseitigkeitssattel!“. Die Kleine, die mit ihrer Mutter neben der Kundin stand, nahm den Nucki aus dem Mund und sagte belehrend: „Dreeessuuhur! Lange Nupfen!“ und meint damit die langen Strupfen, weshalb es nur ein Dressursattel sein kann.

Wie kommt ein Kunde an seinen Sattel?

Der Verkauf an Endkunden erfolgt europaweit ausschließlich über Sattler oder Fachhändler. Von ihnen wird der Sattel letztendlich an das individuelle Pferd angepasst, denn kein vorgefertigter Sattel passt auf Anhieb. Das wäre ein Glückstreffer. Die lokalen Sattler kennen das jeweilige Kundenpferd und die Sättel der Marke Massimo. Sie wissen wie sie angepasst werden müssen und kennen alle Variationsmöglichkeiten, bspw. durch verschiedene Kissenarten.

Zeitlers haben ein großes Warenlager mit bis zu 500 vorbereiteter Sättel in Wegberg, sodass nach Bestelleingang in aller Regel umgehend geliefert werden kann. Von Kammerweite 27 bis 42 (bei Bedarf auch mehr), bis zu vier Sitzgrößen, zwei verschiedene Arten Polsterkissen und verschiedene Sattelmodelle unterschiedlicher Längen. Praktisch jede Kombination davon ist sofort lieferbar. Sonderanfertigungen sind ebenfalls möglich und werden individuell gefertigt. Dann ist die Wartezeit jedoch ein wenig länger.

Die Produktion erfolgt in Paraguay. Dort gibt es eine deutsche Enklave, wodurch die Kommunikation vereinfacht wird. Mittlerweile erreichen wöchentliche Lieferungen aus Südamerika das Warenlager. Auch ein umfangreiches Ersatzteillager wird in Wegberg vorgehalten, welches zum Glück selten gebraucht wird.

Führung durch das Lager

Bei meinem Besuch vor Ort stand nun der Gang durch das Warenlager an. Hunderte fertiger Sättel sind schon ein beeindruckendes Bild. Sortiert nach Modellen, Größen und Farben sah es nach einer verdammt großen „Sattelkammer“ aus. Während wir durch die Gänge streiften, erklärte mir Pauls direkt am Objekt, was ihre Sättel ausmacht. So ergab sich ein lockeres Gespräch während wir verschiedene Themen „abarbeiteten“.

Blick in das Sattellager
Blick in das Sattellager

Um bei Bedarf eine ausreichend große Auflagefläche zu erzielen, können Sattler bei Massimo zwischen Keil-Kissen und französischen Kissen wählen. Erstere sind die „normalen“ Kissen, so wie man sie kennt. Die französischen sind etwas flacher und breiter. Diese kommen bspw. zum Einsatz, um kurzen Sätteln dennoch ausreichend Auflagefläche bieten zu können. Zu lange Sättel behindern das kurze Pferd, drücken auf die Nieren und stören die Bewegung. Kaltblüter haben ihrer Erfahrung nach tendenziell kürzere Rücken. Das ist vorteilhaft für die Arbeit am Zug und vor Kutschen, führt beim Reiten jedoch zu den gerade beschriebenen Besonderheiten.

Es sind die Details, die eine gute Sattelberatung ausmachen. Bei obigem Beispiel des Typus „kurzes Pferd“ kann es sinnvoll sein, nicht den Vielseitigkeitssattel mit weit geschnittenem Schweißblatt zu wählen. „Bei solchen Fällen empfehlen wir eher einen Dressursattel mit gerade geschnittenen Blatt. Das stört die freie Bewegung der Schulter weniger.“ so Pauls.

Als wir bei den Sätteln durch waren, kamen wir zu den Regalen mit dem Zubehör. Neben den Verbesserungen bei den Sätteln ergaben sich im Laufe der Zeit eigene Innovationen beim Zubehör. Bspw. Gurte mit gleitenden V-Strupfen für die „Kugelfische“, bei denen öfters nachgegurtet werden muss. Oder Steigbügelgurte mit kleinerem Abstand zwischen den Löchern. „Bei Kaltblütern sollten besser Gurte ohne Elastik verwendet werden, da sonst der Sattel auf der anderen Seite heruntergezogen wird. Besser ist es auf beiden Seiten ins äußerste Loch zu gurten und diese dann abwechselnd stückweise anzuziehen, damit der Sattel auf dem Pferderücken gerade bleibt.“ weist Pauls auf eine weitere Besonderheit bei Kaltblütern hin. Gurte gibt es bei Zeitlers in Leder oder Synthetik. Sie bleiben formstabil durch gekreuzte Nylonbänder und krempeln sich dadurch nicht um.

Eine weitere Eigenentwicklung ist ein 5-fach verstellbares Vorderzeug. Durch die besondere Führung der Gurte zieht es sich letztendlich so hin, wie es am besten passt und weniger Druckstellen verursacht.

Klett-Pauschen werden von Kunden verstärkt nachgefragt. Derzeit ist es bei zwei Modellen der Dressur Sättel möglich unterschiedlich stark ausgeprägte Pauschen durch ein Klett-System bei Bedarf selber zu wechseln. In Kürze wird das System auch für andere Modelle erhältlich sein. Dadurch können unterschiedliche große Pauschen vor und/oder hinter dem Reiterbein angebracht werden.

Einen letzten praktischen Tipp gibt sie mir am Ende noch vor einem Pferdemodell, auf dem gerade ein Sattel aufliegt: „Die richtige Sattellage finden Sie nicht, wenn Sie den Sattel vom Widerrist aus nach hinten schieben. Legen Sie den Sattel vor die Kruppe und schieben Sie ihn von dort aus nach vorne, bis er von selber stoppt.“ Erstaunt probiere ich es aus. Sie hat Recht, das ist wirklich einfacher und deutlich zu fühlen. Um die evtl. gegen den Strich geschobenen Haare solle ich mir keine Sorgen machen, nach ein paar Schritten legen die sich wieder richtig.

Das war nun mein dritter Besuch bei einem Hersteller von Sätteln, die sich für die kräftigeren Pferde mit mehr Schulter nutzen lassen. Ich hoffe mit diesem Bericht den ewig Suchenden unter den Kaltblut-Besitzern und -Reitern wieder ein Stück weiter geholfen zu haben.

3 replies on “Kaltblut und passender Sattel – ein Widerspruch? (Teil 3)”

… sehr gute Berichte und DANKE für die Mühe die Sie sich gegeben haben. Jetzt weiß ich dass ich mich für einen der 3 Sattelhersteller entscheiden werde und hoffe dann auf eine ausgeglichene „Dicke“ Freibergerin vom alten Schlag.
Mfg Barbara Mayer

Hallo , die Art von Freiberger habe ich auch – auch mit dem Problem einen passenden Sattel zu finden . Für welchen Sattel haben sie sich letzt endlich entschieden ?? Mit freundlichen Grüßen Annette

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