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Der ewige Mythos vom leichtfüßigen Ritterpferd

„Warte, du Schurke! Sir Ivanhoe wird die verlorene Ehre der Jungfrau Kunigunde rächen!“. Ja, das klingt kitschig. Ist es auch. Es versetzt uns mental jedoch umgehend in das Genre der „edlen Ritter“ und ihre heldenhaften Kämpfe um was auch immer sie dazu antrieb. Da dies hier ein Blog über Pferde ist, möchte ich schnell den Bogen spannen zu etwas, dass mir recht häufig begenet.

Film und Märchen

Ich bemerke regelmäßig, dass in verschiedenen Foren, Social Media Gruppen und auch im realen Leben, eine stark filmisch geprägte Vorstellung eines „echten“ Ritterpferdes existiert. Diese Vorstellung wurde sicherlich durch die Mantel-und-Degen-Filme, sowie die Ritterfilme der späten 70’er und 80’er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verklärt. Auch ich habe als Kind diese Filme geliebt. Es war beeindruckend wir der böse und der gute Ritter im Zweikampf um die schöne Jungfrau kämpften. Und die Pferde in den Filmen heißblütig tänzelnd den Helden in den Kampf trugen. Meistens stieg das Pferd kurz vor dem anschließenden Gallop noch einmal spektakulär, die Kamera holte das Pferd dabei Bildschirmfüllend ins Wohnzimmer. Danach krachten die augenscheinlich federleichten Lanzen auf die Gegner und einer von beiden flog im vollen Gallop vom Pferd.

Back to realitity…

Soweit unsere mediale Vorstellung. Im Laufe der Recherchen für das erste Kapitel im Buch, die Historie von Shire Horse und Clydesdale, fiel mir auf, dass diese Darstellung einer ritterlichen Kampfhandlung nicht real sein konnte. Alle mir zugänglichen historischen Quellen beschrieben die Pferde zwar als „groß und mächtig“, jedoch nur in Bezug auf andere Pferde des gleichen Zeitalters und nicht mit den Zwei-Meter-Riesen heutiger Zeit. Im Grunde galt ein Stockmaß von 150cm bereits als groß. Die Pferde waren dennoch kräftig gebaut, in etwa vergleichbar mit heutigen kleinen Kaltblutrassen. Im Blog-Beitrag Buchvorstellung belegen Ausgrabungen in London anhand einer Vielzahl von Pferdeskeletten und Ausrüstungsgegenständen diese Vorstellungen eines Pferdes, auch Kampfpferdes, dieser Zeit.

Man muss im folgenden unterrscheiden für welchen Zweck Pferde im Mittelalter, der Blütezeit der Ritter, gebraucht wurden. Der Adel brauchte Pferde für Kutschen, zum Reiten als bequemes Transportmittel und ebenso Pferde für den Kampfeinsatz. Bauern und Bürgerliche besaßen, wenn überhaupt, den klassichen Mehrzweck-Acker-Gaul. Pferde waren in der damaligen Zweit zwar das einzige schnelle Fortbewegungsmittel, aber auch extrem teuer. Für jedes dieser Einsatzzwecke boten sich unterschiedliche Rassen an. Wobei der Begriff der „Rasse“ auch wieder modern geprägt ist. Heute versteht man unter einer Rasse eine Population von Pferden mit einer strengen Zuchtkontrolle und genauen Vorgaben des Erscheinungsbildes. Die Pferde der damaligen Zeit waren davon weit entfernt. Lesen Sie weiter unten bei Zucht und Selektion mehr dazu.

Unterschiedliche Nutzen, unterschiedliche Pferde

Für den Alltag, oder eine längere Reise, nutzen Adelige Pferde mit bequemen Gangarten, bspw. den Zelter, der eine Art Tölt beherschte. Die großen Kampfpferde wurden sorgsam ausgebildet und hatten beste medizinische Versorgung und Haltungsbedingungen. Zumindest für damalige Zeiten.

Sie wurden ausschließlich bei kriegerischen Auseinandersetzungen geritten. Während einer Reise oder eines Marsches ritten die Kämpfer auf Reisepferden und führten die Kampfpferde auf der rechten Seite als Handpferde mit. Daher leitet sich auch der Begriff „Destrier“ aus dem lateinischen Begriff „dextrarius“ als Bezeichnung eines Streitrosses ab. Es kommt vom lat. Wort „dexter“, was soviel heißt wie rechts (befindlich, gelegen), rechtsseitig.

Tanz oder Marsch?

Ein Ritter in vollständiger Rüstung inkl. Bewaffung konnte ein Gewicht bis zu 180kg erreichen. In der Endphase des Rittertums eher mehr, da auch die Pferde immer mehr Panzerungen trugen. Nun kombinieren wir die Erkenntnisse zur Größe und Statur der Pferde mit der Aufgabe, dieses Gewicht zu tragen. Und zwar nicht nur für eine Trainingsstunde in der Reithalle, sondern durchaus für einen großen Kampf, evtl. sogar eine Schlacht. Diese dauerten vermutlich etwas länger als moderne Trainingseinheiten. Waren die Streitrösser wahrscheinlich bestens traininiert und bemuskelt, so muss man jedoch erkennen, dass diese unter den gegebenen Umständen sicherlich keine leichtfüßigen Tänzer waren. Eine der historsichen Quellen spricht daher eher von einem alles niederwalzenden Trab.

Streiff und seine Kumpane

Der Dreißigjährige Krieg läutete das Ende der großen Zeit der Ritter in schweren Rüstungen ein. Zu dieser Zeit lebte das Streitroß Streiff, das den König Gustav II. Adolf von Schweden 1632 in dessen letzter Schlacht bei Lützen führte. Diese dauerte nach historischen Angabe etwa 6 Stunden. Der Schwedenkönig verstarb dort, sein Pferd wurde ein Jahr später 1633, nach dessem Tod ausgestopft.

Streiff
Streiff

Zucht und Selektion

Zuchtbücher und Rasse-Standards wurden erst im 18. und 19. Jahrhundert eingeführt. Davor gab es lokal unterschiedliche Populationen, die sich im Laufe der Jahrhunderte „irgendwie“, in aller Regel nicht gesteuert oder geplant entwickelten. Die modernen Methoden der Tierzucht fanden Ihren Anfang im 18. Jahrhundert, bspw. durch die Methoden von Robert Bakewell in England. Ab dieser Zeit fingen Menschen an Pferde gezielt für Einsatzwecke zu züchten.

Im Mittelalter waren es mehr Zufallstreffer, wenn sich in einer Region bspw. besonders kräftige und „große“ Pferde entwickelten. Beispielsweise die Pferde aus dem Norden Deutschlands oder der heutigen Niederlande waren von solcher Statur und bei Rittern sehr begehrt. Aus ihnen entstanden u.a. die heutigen Friesen.

Weil es recht mühselig war, große und kräftige Kampfpferde zu ziehen, galten für diese sehr harsche Exportbeschränkungen. Es waren Kriegswaffen, die man, ähnlich wie heute, ungern dem Gegner überließ.

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